An sich bin ich als Ergotherapeutin sensibilisiert auf das Thema Händigkeit, und in meinem Berufsalltag ist es mir bereits in Fleisch und Blut übergegangen, auf eine Seitenpräferenz bei Kindern zu achten.
Unser Kleiner ist noch nicht einmal ganz ein Jahr alt und somit weit davon entfernt, eine klare Händigkeit zu zeigen. Aber ich ertappe mich ab und zu dabei, dass ein gewisser Umgang, der für mich als Ergotherapeutin ganz selbstverständlich ist, für mich als „normale Mama“ im nicht-therapeutischen Alltag gar nicht so einfach umsetzbar ist.
Obwohl ich also in dem Bereich geschult bin, passiert es mir immer wieder, dass ich unwillkürlich Einfluss nehme auf die Händigkeit meines Babys. Einerseits sollte man sich nicht so einen Kopf machen, denn ein sensomotorisch normal entwickeltes Kind wird sich nicht so schnell „umpolen“ lassen, und da macht es keinen Sinn, wenn man sich über jeden Handgriff Gedanken macht und darüber ganz den natürlichen Umgang mit seinem Kind verliert.
Dennoch habe ich andererseits in der Praxis oft mit Kindern zu tun, die insgesamt ein bisserl „patschert“ sind – und sehr häufig wirkt sich das auch auf die Entwicklung der Händigkeit aus, insoferne, dass z.B. manch 5-Jähriger immer noch unentschlossen ist, ob er nun Rechts- oder Linkshänder ist. Oft geht es hier in Wirklichkeit nicht mehr darum, mit welcher Hand das Kind geschickter schreibt, schneidet oder isst, sondern eher darum, welche der beiden Hände die weniger ungeschickte ist… Manche Eltern denken in so einem Fall, dass ihr Kind beidhändig sei. Eine echte Beidhändigkeit, bei der beide Seiten gleich geschickt sind, ist jedoch sehr, sehr selten. Meistens steckt hinter so einer „Beidhändigkeit“ doch eine Schwäche in der Lateralitätsentwicklung.
Solche Kinder lassen sich in ihrer Entwicklung natürlich auch unbewusst beeinflussen – denn wenn ich selbst nicht recht spüre, welche Hand ich besser verwenden soll, orientiere ich mich umso mehr an meiner Umgebung und meinen Vorbildern. Und so kann es sein, dass sich in einem Kind, das auf den ersten Blick häufiger die rechte Hand benutzt, ein unabsichtlich umgelernter Linkshänder verbirgt.
Wie wir unwillkürlich Einfluss auf die Händigkeit unserer Kinder nehmen? Wenn wir selbst Linkshänder sind, tendieren wir dazu, z.B. ganz automatisch den Trinkbecher auf die linke Seite des Kindes zu stellen. Dem Kind den Löffel, die Zahnbürste oder die Wachskreide in die linke Hand zu drücken. Spielsachen eher links vom Kind anzubieten. Und nach der linken Seite zu greifen, wenn wir die Hand des Kindes führen, um ihm zu zeigen, wie es z.B. einen Verschluss auf- oder zumacht, Knöpfe bedient oder Seiten umblättert. Natürlich – für uns macht das ja Sinn, da wir uns logischerweise mit unserer dominanten Seite als Arbeitshand um einiges leichter tun.
Idealerweise bietest du also von Anfang an deinem Baby Gegenstände von der Mitte aus an. Der Trinkbecher und der Löffel kommen also direkt mittig vor das Kind. Bzw. versuche, beide Seiten gleichwertig mit einzubeziehen. Das Spielzeug mal rechts, mal links hinlegen. Abwarten, mit welcher Hand das Kind spontan hingreift, und ihm dann mit dieser Hand helfen.
Übrigens ist es ganz normal, dass kleine Kinder oft zwischen beiden Händen hin und her wechseln. Sie müssen ja erst für sich herausfinden, welche Hand für welche Tätigkeit am besten geeignet ist. Indem du dem Kind viele Tätigkeiten anbietest, für die es beide Hände braucht (auffädeln, Verschlüsse öffnen, Dinge zusammenstecken, etwas einhämmern, etwas aus einem Gefäß holen, etwas zerreißen, etc.) unterstützt du dein Kind dabei, mit Arbeits- bzw. Haltehand zu experimentieren.
Sogenannte Kreuzkoordinationsbewegungen sind ebenfalls wichtig für die Entwicklung der Händigkeit. Dazu zählen z.B. das Krabbeln (womit sich unsere kleine Rübe übrigens noch schwer tut), Klettern, Laufen mit gegengleichem Armpendel, Seilziehen, alles „Aerobic-Artige“, bei dem Arme und/oder Beine über Kreuz bewegt werden, und jede Bewegung, bei der mit einer Hand auf die andere Körperseite hinübergegriffen wird, um z.B. mit der rechten Hand etwas von links zu holen.
Übrigens ist es gar nicht so selten, dass die Seitenpräferenz später nicht komplett unilateral ist. Es kann also durchaus sein, dass jemand, der Rechtshänder ist, geschickter mit dem linken Bein Fußball spielt. Es kommt vor, dass jemand grobmotorisch rechtshändig ist (z.B. beim Werfen), feinmotorisch aber mit der linken Hand besser dran ist. Letztendlich ist das nicht so wesentlich. Ein Problem kann dann entstehen, wenn innerhalb derselben Aktivität die Seite gewechselt wird – d.h. mal wirft das Kind rechts, mal links, mal schreibt es rechts, mal links,… denn so wird die Ausführung „umständlich“ und das Kind entwickelt weder auf der einen noch der anderen Seite Sicherheit in der Bewegung. Schneidet es jedoch geschickt (und ausschließlich) mit der rechten Hand, obwohl es sonst Linkshänder ist, kann man es auch durchaus dabei belassen.
Ist ein Kind im Jahr vor der Schule noch unentschlossen, sollte jedenfalls ein Händigkeitsscreening gemacht werden, damit das Kind zu Schulbeginn eine klare Schreibhand hat. Ob man Kinder, die sich zu einem späteren Zeitpunkt als „Umgelernte“ herausstellen, wieder „zurücklernen“ lassen soll, darüber scheiden sich die Geister. Meiner Meinung nach ist dies in jedem individuellen Fall und je nach Leidensdruck zu entscheiden.
Wie ist das bei euren Kindern? Wann wart ihr euch das erste Mal sicher, dass euer Kind ein Rechts- oder eine Linkshänderin sind?